Neue Fluglehrer hat das Land

Veröffent im Adler07/2016
geschrieben von Wolfgang Weber, Aeroclub Walldorf / Baden


Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ So vermeldete vor gut 2.400 Jahren, als angeblich alles noch besser war, der alte Sokrates. Bei allem gebotenen Respekt vor dem großen antiken Philosophen – schon damals war das mit der Jugend von heute Unsinn, und für den Fluglehrerlehrgang 2016 des BWLV stimmt es garantiert schon gar nicht.
Fluglehrer werden und sein, sei nicht völlig trivial, so ließen es alle Ausbilder einhellig verlauten, allerdings erst, nachdem es kein Zurück mehr für uns gab. Es erfordere ein Höchstmaß an Leistungsbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Geduld und Belastbarkeit, die andauernde freudige Hingabe von kostbarer Freizeit, im schlimmsten Falle sogar Urlaub. Darüber hinaus die Begabung, auch bei brüllender Thermik, wenn alle anderen sonst wo hinfliegen, am Boden zu bleiben und trotzdem niemanden anzuschreien, sowie die Fähigkeit, Flugschüler, die einem nach dem Leben trachten, energisch, aber doch freundlich und respektvoll, von ihrem schadhaften Tun abzuhalten und dabei die ganze Zeit gelassen und höflich zu bleiben.
Schließlich sei man als Fluglehrer verantwortlicher Luftfahrzeugführer, Techniker, Aerodynamiker, Wetterexperte, Navigator, Jurist, Luftfahrtsachverständiger, Mama und Papa, Diplom-Psychologe, Vorbild in
allen Flug- und manchen Lebenslagen, Beichtvater, großer Bruder und Kalfaktor in einer Person und verkörpere somit alle positiven menschlichen Eigenschaften dieser Welt. Nicht einfach also, aber wenn es einfach sei, dann könne es ja jeder und was würde dann aus uns?

Zum ersten Mal wurde nach EASA-Verordnung ausgebildet

Letzteres galt insbesondere für die Ausbildungsleitung und die Ausbilder. Nicht genug damit, dass zum ersten Mal nach der EASA-Verordnung 1178/2011 ausgebildet wurde, welche gegenüber den bislang gültigen Richtlinien der LuftPersVO weniger auf eine vertiefende Fortführung des SPL-Theoriestoffs bis hin zu gefährlichem IFR-Halbwissen fokussiert, sondern vielmehr auf die Vermittlung von Kenntnissen in Didaktik und Führung, Lehren und Lernen sowie einiger fundamentaler und weiterführender Aspekte aus den Bereichen Aerodynamik, Technik, Meteorologie, Luftrecht, betrieblichen Verfahren und menschlichem Leistungsvermögen setzt.
Der Lehrgang fand auch zum ersten Mal seit irgendwann in den 1970er-Jahren wieder auf dem Klippeneck statt. Das Klippeneck eignet sich natürlich hervorragend, denn die Infrastruktur ist abgesehen vom Flugplatz, den ansässigen Vereinen (ohne die ginge nämlich gar nichts!), dem Biserheim und dem wieder offenen Hotel perfekt, insbesondere dann wenn sie, die Infrastruktur, dereinst vollständig vorhanden sein wird. Einiges an Nützlichem und Notwendigem (unter anderem die legendäre Werkstatt von Hans Hörber nebst Anschauungsmaterialien für Lehrproben) hat den Weg auf das Klippeneck noch nicht angetreten, sodass manches improvisiert werden musste und ohne den größten persönlichen Einsatz Einzelner (Thomas, Hiltrud (Hilou), Claus und Harald) nicht friktionsfrei hätte über die Bühne gebracht werden können.

Theoretische Vorauswahlprüfung auf der Hahnweide

Am Samstag, 18. Juli 2015, trafen wir uns zum ersten Mal leibhaftig zur theoretischen Vorauswahlprüfung auf der Hahnweide. Dabei waren 16 willige Kandidaten: Moritz Brennenstuhl aus Eutingen, Markus Schäfer aus Sindelfingen, Wolfgang Jentner aus Hilzingen, Axel Beurer aus Donaueschingen, Ingo Wünsch aus Altdorf, Philipp Kapferer aus Walldürn, Lennart Pioch aus Mülben, Timo und David Barth aus Bietigheim, Wolfgang Weber aus Walldorf, Sven Lissel aus Freiburg, Alexander Fezer aus Göppingen, Christoph Seiferth von der Hahnweide, Kevin Jehle vom Farrenberg, Fridolin Sturm aus Bartholomä und Andy Böhringer aus Möckmühl – die meisten von uns jung an Jahren, zusammen mit dem Lehrgangsleiter Harald Ölschläger aus Baumerlenbach und Peter Mühlhölzer, fliegerisches Urgestein des Gents Lake (Herrenteich).
Das war natürlich überhaupt gar kein Problem, aber erst nachdem man sich die ganze SPL-Theorie (wie damals kurz vor dem Schein) nochmal im Detail reingezogen hatte. An alle künftigen Segelfluglehrerschüler: Ohne Vorbereitung geht gar nix! Es bestanden alle Kandidaten (wo bleiben eigentlich die Fluglehrerinnen?) auf Anhieb, und die Vorausbildung konnte weitergehen. Ausgestattet mit allen notwendigen theoretischen Vorabqualifikationen begaben wir uns dann zum Objekt unserer Begierde, dem hinteren Sitz in einem Segelflugzeug, um mit einem Fluglehrer 20 Starts am jeweils heimischen Flugplatz
zu absolvieren. Es folgte die praktische Vorauswahlprüfung in Form von Flügen mit dem zuständigen Bezirksausbildungsleiter. Das haben auch alle gepackt.
Danach konnte wieder (hoffentlich nicht zum letzten Mal) in aller Ruhe geflogen werden, denn der theoretische Teil des Lehrgangs ging erst am 14. November 2015 mit acht Tagen auf dem Klippeneck in die nächste Runde. Im Einsatz waren als Ausbilder Hilou und Claus Garthe, Steffen Bogdanski, Peter Denner, Henry Blum, Harald Ölschläger, Frank-Peter Dörner, Janik Eggler, Egon Schmaus, Markus Planer und Björn Muth. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die Themen der Lehrproben für jeden Lehrgangsteilnehmer bekannt gegeben. Prüfungen standen nicht an, die kamen jetzt im Frühjahr, dafür aber geballt. Als letzte Hürde vor der Praxis mussten von jedem Teilnehmer zwei Lehrproben im Verein absolviert werden.

Der praktische Teil begann im Frühjahr

Der praktische Teil des Lehrgangs startete am 30. April 2016 auf dem Klippeneck. Kurz zuvor hatte es nochmal richtig geschneit; der Schnee war dann aber weg als wir kamen. Das Wetter war einigermaßen perfekt, wir konnten inklusive der Prüfungsflüge an zehn Tagen fliegen. Auf dem Programm standen für jeden von uns sieben F-Schlepps, elf Windenstarts und zwei Eigenstarts. Der Fox, den der Förderverein Segelkunstflug im BWLV beisteuern wollte und auf den sich die kunstfliegende Fluglehrerschülerfraktion sehr gefreut hatte, konnte leider nicht kommen. Aber eine ASK 13 trudelt auch sehr schön.
Als Ausbilder waren Hilou und Claus Garthe (Lehrgangsleitung vor Ort), Helmut Müller, Wolfgang Jester (er bildete gemeinsam mit Wolfgang J. und Wolfgang W. die Wolf-Gäng), Jürgen Niedecker, Hans Hörber (Herr und Meister der ASK 21 MI und vom Hornberg hinauf gestiegen zum Klippeneck), Andreas Krupp und Thomas Marquart am Werk. Die haben uns fliegerisch und rhetorisch Einiges abverlangt; schließlich haben wir aber darauf verzichtet, zum Lehrgangsende den DAF (Dümmster Anzunehmender Flugschüler) zu küren. Das wäre auch eher ein Preis für gute Schauspielerei der Ausbilder gewesen, denn der praktische Teil des Lehrgangs konzentrierte sich wie die Theorie auch auf den Bereich „Wie bringe ich dem Flugschüler das Fliegen bei?“ – und da zogen die Ausbilder einige Register.

Es wurde alles geschult, was geschult werden kann

Rein fliegerisch konnten wir jenseits aller Didaktik allesamt noch etwas lernen und mitnehmen. Neben der finalen Abstimmung unser aller Lehrproben, einem Kapitel für sich, wurde mit der (gelben) ASK 13 des Aeroclubs Klippeneck und der (blauen) ASK 13 des Clubs der Segelfliegerinnen Stuttgart, einer ASK 21 aus Spaichingen-Aldingen, der Salzlore (ASK 21) des Fördervereins Segelkunstflug im BWLV sowie dem Duo Discus (BW4) und der ASK 21 MI (beide vom BWLV) alles geschult, was geschult werden kann.
Dazu gehörten F-Schlepps, Windenstarts, Eigenstarts, Normalflug, Abkippen, Trudeln, Kasten, Schnellflug, Langsamflug, Geradeausflug,  Kurvenflug, Thermikflug, Slip, Seilriss, Leewirkung am Hang, alles eben. Kaputt gegangen ist eigentlich nichts– und wenn doch, konnte es unauffällig repariert werden. Endgültig klar wurde, dass eine E-Klasse nicht fliegen kann, auch wenn man sich noch so sehr anstrengt.
Am Mittwoch, 4. Mai 2016, dem Tag der Tage, knackte der Fluglehrerlehrgang im Ganzen mit allen 55 Starts des Tages und unter Berücksichtigung der gekurbelten Strecken locker die 1.000-Kilometer-Marke. Es war schrecklich, und die wohlmeinenden Worte der Ausbildungsleitung, dass einem das als Fluglehrer von nun an öfter passieren könne, haben uns nicht wirklich getröstet. Angeschrien wurde aber niemand. Wir beglückwünschen alle Streckenflugpiloten, die den ersten Mittwoch im Mai 2016 entsprechend nutzen konnten.
Am Sonntagabend, 9. Mai 2016, waren dann alle 320 Pflichtstarts des Lehrgangs absolviert, und die Prüfer rückten an. Am Montag fanden – bedingt durch die Wettervorhersagen – alle praktischen Prüfungsflüge statt, am Dienstag dann die meisten Lehrproben und mündlichen theoretischen Kompetenzüberprüfungen. Vor den kritischen Augen und Ohren von Peter Mühlhölzer, Günther Hausmann, Siggi Kottmann und Harald Ölschläger bestanden dann aber alle Anwärter. Oder werden es demnächst ganz bestimmt noch tun. Neue Fluglehrer hat das Land!

Neben den Ausbildern und Prüfern, die alles gegeben haben, gilt unser besonderer Dank folgenden Personen und Institutionen:

• Thomas Marquart für die Organisation des gesamten Fluglehrbetriebs und der Infrastruktur auf dem Klippeneck während des Lehrgangs.
Das war absolut großartig!
• Karl Roos für seine Dienste auf der Winde
• Dem Spaichinger-Aldinger Segelflugverein, dem Club der Segelfliegerinnen Stuttgart sowie dem Aeroclub Klippeneck für die Überlassung von Platz, Hallen, sonstiger Infrastruktur, Segelfliegern, Fallschirmen, Winden, Fahrzeugen und der Hotel Alpha (D-EBHA, DR 400- 235) für die F-Schlepps
• Frank Möbbeck, Hotel-Alpha-Master und den anderen Klippenecker Schlepppiloten fürs Schleppen
• Hubert Grünebaum für die Flugleiter- und Platzeinweisungen und die moralische Unterstützung
• Dem BWLV für die BW 4 und die 21 MI und auch sonst für alles
• Dem Förderverein Segelkunstflug für die Salzlore
• Der Familie Zepf für ihre Fürsorge im Biserheim, für das grandiose Frühstück jeden Morgen, für all die Schokolade, die immer verfügbar war, und für die vielen kleinen und großen Gefälligkeiten und Aufmerksamkeiten rund um unseren Aufenthalt
• Dem Hotel Klippeneck dafür, dass es endlich wieder offen hat und für seine Bereitschaft, auch nach 21 Uhr noch für uns zu kochen – und das zu Lehrgangskonditionen
• Frau Sibylle Veigel vom Regierungspräsidium Stuttgart für die permanente Unterstützung bei der Planung des Lehrgangs, ihr scharfes Auge und ihre Obacht darauf, dass der Lehrgang dann auch die behördliche Anerkennung bekommt
und der gewünschte Eintrag der FI-Berechtigungen in die Lizenzen erfolgen kann
• Der Lehrgangsleitung Harald Ölschläger sowie Hilou und Claus Garthe für die Leitung des Lehrgangs und für ihre Mühen, das Klippeneck für die FI-Lehrgänge zu dem zu machen, was der Hornberg war